4. SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Lukas (4,21-30)

Wenn wir über uns selbst nachdenken, stoßen wir in uns auf Eigenschaften und auch Fähigkeiten, bei denen wir fragen: „Woher habe ich das?“ Vielleicht liebe ich Musik, lese ich gerne Bücher, gehe ich gerne wandern... Und dann entdecke, ich: diese Gewohnheit, Eigenschaft, Fähigkeit habe ich von meiner Mutter gelernt, von meinem Vater, von der Oma oder von sonst wem, der in meinem Leben eine Rolle gespielt hat oder noch spielt.

Gibt es in mir, in meinem Leben etwas, was ich von Jesus gelernt habe? Hat all das, was ich im Gottesdienst oder sonst wo von Jesus bis jetzt gehört oder gelesen habe, in mir etwas bewirkt? Gibt es von Jesus Verhaltensweisen, Worte, Überzeugungen, die ich von ihm übernommen und mir angeeignet habe, so dass sie in meiner Lebenspraxis spürbar sind?

Bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr hat Jesus in Nazareth als ganz normaler Mensch gelebt, in einer Familie, wahrscheinlich mit Geschwistern. Er hat einen Beruf ausgeübt, zusammen mit seinem Vater. Er ist überhaupt nicht aufgefallen, war ein Mensch wie alle anderen in seiner Umgebung. Aber dann wurde sein Leben ganz anders: Gott hat ihn bei seiner Taufe betroffen gemacht, seine Geisteskraft hat von Jesus Besitz ergriffen, hat in und durch ihn gewirkt, gehandelt, gesprochen. Die Leute staunten: Er redet anders als ihre Schriftgelehrten und Pharisäer! Aber ist er nicht der Sohn von Joseph, ein ganz normaler Mensch wie wir, der uns in all diesen Jahren, in denen er unter uns lebte nicht besonders aufgefallen ist? Der unauffällige Jesus.

Wie lange bin ich schon Christ? Wie viele Jahre gehe ich schon in die Kirche? Was habe ich schon alles über Jesus gehört? Habe ich das alles nur einfach zur Kenntnis genommen, oder hat sich das abgefärbt auf mich, hat mich da einiges geprägt, ist es zu einer Eigenschaft, zu einer Fähigkeit von mir selber geworden?

Zuerst sind die Dorfgenossen von Jesus begeistert. Aber dann sagt er Dinge, die sie provozieren. Er sagt, dass Gott nicht nur für sie da ist, sondern auch für Menschen, die anders sind als sie, die nicht zu ihrer Glaubensgemeinschaft gehören, in ihren Augen so genannte „Heiden“ sind, wie die Witwe von Sarepta und der Syrer Naaman. Erst nach vielen Jahrhunderten, in denen man behauptet hat: „Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil“, ist man also „verloren“, ist man in der katholischen Kirche beim 2. Vatikanischen Konzil (1965) zu der Einsicht gekommen: Gott wirkt auch in den anderen Religionen, auch dort ist er heilsam anwesend.

Jesus hat man für solche Aussagen umbringen wollen. Das wollen wir natürlich nicht. Aber gibt es für uns auch nicht bestimmte Aussagen von Jesus, die wir eigentlich nicht akzeptieren wollen, wenn er z.B. über „Feindesliebe“ redet, oder „sich selbst hingeben“, „sein Kreuz auf sich nehmen“ ... Sind wir da noch bereit, das von ihm anzunehmen und es in unserem Leben zu praktizieren?

Im heutigen Evangelium wird Jesus dargestellt als der von Gott Gesandte, der aber - trotz seiner befeienden Botschaft von Gott - von Anfang an auf Widerstand gestoßen ist. Dieser Widerstand wird im Laufe der paar Jahre, wo Jesus noch in der Öffentlichkeit auftritt, immer stärker werden. Und in der weiteren Entwicklung des Christentums, wie sie Lukas in der Apostelgeschichte beschreibt, wird sich das immer wieder wiederholen. Aber es wiederholt sich auch immer wieder, was Lukas mit dem Satz beschreibt, dass - als die aufgebrachte Menge Jesus hinunterstürzen will - „Jesus mitten durch die Menge hindurch ging und weiterzog.“ Gott setzt sich durch, trotz der vielen Widerstände.

Dieses Vertrauen sollten wir Christen gerade heutzutage haben, wo der christliche Glaube auf immer größeren Widerstand stößt und man ihn aus der modernen Gesellschaft ausgrenzen und oft mundtot machen will. Von wem sonst als von Jesus sollten wir den Mut dazu haben?

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